von Werner Kullmann („…aus meiner Sicht“),
November 2014

 

  1. Kissinger: „In Europa kündigt Russland die Nachkriegsordnung auf“.

 

Der „Westfälische Friede“ war 1648 der Anfang zu einem pluralistischen Staatensystem in Europa. Religiöse und weltliche Macht einigte sich nach dem 30-jährigen Ausbluten des Kontinents darauf, dass sich große und kleine Länder egal welcher Fasson gleichberechtigt begegnen konnten. Es ging hier um eine neue Ordnung, die die Gesellschaften vor einer Intervention der Stärkeren schützen sollten.

Insbesondere die Zaren samt Nachfolger, Napoleon und Hitler versuchten später diese Ordnung zu ihren Gunsten zu unterminieren. Stalin, der stählerne Erbe Lenins, wollte sogar auf den Knochen seiner Bevölkerung eine neue Weltordnung erreichen; mit der Ersatzreligion Kommunismus.

 

Eine Selbstbeschränkung der territorialen Ambitionen war nie die Sache der russischen Herrscher.

 

Mütterchen Russland suchte stets ihr Einflussgebiet bis zu den absoluten Grenzen der eigenen materiellen Ressourcen auszudehnen. Neuerdings sogar im Polarmeer mit dem Flaggenhissen auf einem Bergkamm unter Wasser. Das ist die Schaffung von vollendete Tatsachen gegen die anderen Anrainerstaaten, trotz vorhandenen Grenzziehungen durch die internationale Gemeinschaft.

Seit der Niederlage Napoleons ist Russland eine konstante Bedrohung des europäischen Gleichgewichts. Was die Zaren eroberten sollte sofort besiedelt werden, damit die neue russische Erde ob in Asien oder in Europa verteidigt werden kann. Die Krim und ihre Ureinwohner wurden wegen ihres natürlichen Hafens Sewastopol am Schwarzen Meer zur Machtgewinnung Russlands gegen das Osmanische Reich auch mit Zuzug dominiert. Durch Russlands Krim-Anspruch zerfiel 1856 nach dem Krieg der damaligen Westmächte gegen Russland der Staatenbund des Wiener Systems.

 

Und jetzt wieder die Krim!

 

Dazu die östlichen Gebiete der Ukraine. Gerne fühlen sich Putin und mächtige Hintermänner gerufen,  den Krim-Russen beizustehen gegen vermeintliche Maidan-Schlächter. Die Orthodoxie und die Einheit der Slaven gilt es nach ihrer Sicht auch zu schützen gegen den Einfluss des Westens. Nationalistische Kosaken und verdecktes Militär konnten aufmarschieren. Die völkerrechtlich anerkannte Ukraine wird mit Krieg überzogen. Das Assoziierungsabkommen der EU mit Kiew ist das eigentliche auslösende Moment des russischen Verhaltens. Es sieht die Anpassung von Standards und Normen über demokratische Grundsätze, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und freie Marktwirtschaft vor. Eben eine Freihandelszone mit der neuen Macht EU gegen russische Interessen. Russland sieht sich hier gedemütigt in seiner Wirtschafts- und Einflusssphäre.

Die jetzt der EU zugehörigen früheren Staaten des Sowjetreiches wie Polen und das Baltikum fühlen sich nun zurecht in ihrer neuen staatlichen Selbstbestimmung gefährdet. Ihre Vorwärtsbewegung zu einer stärkeren Nato und militärischer Präsenz an den Grenzen als Absicherung speziell gegen Russland ist ein gelerntes Gefühl der Ohnmacht gegen die ehemaligen Besatzer und wird jetzt wieder in der Realität der anderen Anrainerstaaten Russlands bestätigt.

DAS MUSS MAN DEN RUSSEN KLARMACHEN. NICHT SIE SIND DIE, DIE DAS GEFÜHL DER BEDROHUNG BEANSPRUCHEN KÖNNEN.

Bis zu einer Einsicht sind momentan Wirtschaftssanktionen gegen Russland die einzige klare Ansage. Der Leidtragende ist aber neben Russland hauptsächlich der Europa tragende Exportweltmeister Deutschland, der zudem bei Ausfall der Hermes-Bürgschaften durch russische Zahlungsunfähigkeit viele Milliarden mehr als die anderen Europäer schultern muss.

Doch was will Europa mit der, durch die lange russische Destabilisierung, armen Ukraine? Sollen die Deutschen neben den Südstaaten mit Rumänien/ Bulgarien ihren Wohlstand auch dort hin transferieren? Und dann folgt noch mit Serbien ein anderer russlandnaher Problemkandidat?

Das geht m. E. nur mit der Akzeptanz Russlands. Die demokratischen Bestrebungen dieser Länder müssen mit dem anderen demokratischen Verständnis und der momentanen Interessenlage der Russen deckungsgleich sein. Dafür sollten aber zuerst diese Länder sorgen. Wir helfen dabei nur als Vermittler, oder vielleicht als Kreditgeber. Eine weitere Ausdehnung Europas sollte niemals durch die EU angestrebt werden. Demokratische Vormacht-Ideologie steht uns nicht an.

Wenn wir Koch statt Kellner sein wollten, müssten wir uns mit dem Gedanken beschäftigen u.a. in Europa massiv aufzurüsten, Fracking zuzulassen, wieder vermehrt Atomstrom zu produzieren, die atomare Abschreckung zu vergrößern oder wieder näher an Amerika rücken.

Wer das will, bitte „hier“ rufen. Die Russen preisen das sicher schon mit ein.

Trotz allem Verständnis der Russischen Seele, gebiert sich der Russische Bär stets präsenter. Das ist eine  Grunderkenntnis der Geschichte! Desto interessanter die Nahrungsmöglichkeiten in Europa werden, desto größer entwickelt sich wieder sein Verlangen. Hinter dem Ural wäre er besser aufgehoben.

Wir brauchen daher wieder klare Ansage und Berechenbarkeit im Umgang. Handel und Wandel. Verträge, die eingehalten werden. Abhängigkeiten müssen für beide Seiten minimiert werden. Wir brauchen keinen Handelspartner, der wie früher in Sibirien mit amerikanischen Ölfirmen erpresserisch umging, sie zuerst investieren ließ um dann die Verträge zu zerreißen, die später nicht als günstig erachtet wurden. Gleiche Vertragstreue erwartet Russland ja auch bei dem (vorher leider auch erpresserisch) ausgehandelten Ölpreis mit der Ukraine.

 

Wo wird nach dem selbstverschuldeten Zerfall des Sowjetreichs speziell für Europa der Frieden entschieden? Nur in Russland!

 

Russland und die Staaten Europas hatten die Chance nach einem Ausgleich der Interessenlagen. Nur: Mit dem russischen Bären kuschelt man nicht. Durch eine Ausnahmesituation der Geschichte konnte die Deutsche Einheit und der Abzug des russischen Militärs von uns bezahlt werden. Jelzin konnte die konservativen Kräfte noch zähmen, der Geheimdienstler Putin hätte das Militär belassen, wie er später sagte. Das wäre ein politisches Erpressungspotential zum deutschen Wohlverhalten gewesen.

 

Das Europa der souveränen Einzelstaaten, welches die AfD präferiert, wäre damit vielleicht mit Zustimmung Russlands und noch höherer wirtschaftlicher Abhängigkeit entstanden, aber niemals das von den europäischen Politikern (ohne Einvernahme der Bevölkerung der Einzelstaaten) angestrebte und sich jetzt bildende Groß- Europa.

 

Das Sowjetreich ist untergegangen und auf seinen Trümmern baut sich ein Großreich-Europa auf.

 

Natürlich sieht sich Putin von dieser neuen Macht verunsichert. Frau Merkel sagt ihm im Namen Europas immer wieder wie es lang geht mit den Menschenrechten, mit unsere Vorstellungen von Demokratie. Wir machen uns unbeliebt bei der Mehrheit der russischen Bevölkerung.

 

Das wäre mit der AfD niemals so passiert!

Wir wollen ein Europa der Vaterländer, mit einer konservativen Wertevorstellung und europäischer Leitkultur. Da sind wir dem heutigen Russland nahe. Wir wollen Liberalität nach dem Vorbild von Erhard und Hayek.

Wir brauchen keine „Russlandversteher“ zu sein, um Geschichte und Gegenwart einzuschätzen.  

 

Damit wäre ein Ausgleich der Interesselagen möglich, wie von Russland erwartet. Das imperiale Russland lässt sich nicht von einem imperialen Neu-Europa umzingeln, erst recht nicht durch moralische Vormachtstellung.