Berlin ist immer eine Reise wert. Das war das positive Fazit der politisch interessierten Hauptstadtbesucher, siebenunddreißig an der Zahl, welcher der Einladung unseres Bundestagsabgeordneten Martin Renner gefolgt waren. Die praktische Organisation vor Ort, übernahm, wie bei solchen Einladungen üblich, das Bundespresseamt. Höhepunkt und Schlussakkord des dicht gepackten Bildungsprogrammes war natürlich der Besuch einer Plenarsitzung im Reichstag, gefolgt von einem Aufstieg in die gläserne Reichstagskuppel mit einem phantastischen Ausblick über das abendliche Berlin. Auch die übrigen Programmpunkte der viertägigen Busreise, die von Viersen und Haan am frühen Morgen des 9. Oktober gestartet war, konnten sich sehen lassen: Auf der Agenda standen der Besuch des Stasi-Gefängnisses Hohenschönhausen, die Gedenkstätte Deutscher Widerstand im Bendlerblock, das Bundesministerium des Inneren, das Museum der Deutschen Geschichte, die Gedenkstätte der deutschen Teilung an der Bernauer Straße und natürlich die Stadtrundfahrten. Ein straffes Programm für zwei Tage! Denn der erste und der letzte Tag waren jeweils durch An- und Abreise ausgefüllt. Hier ein paar Schlaglichter:
Hohenschönhausen: Beeindruckend der riesige, ständig erweiterte Gefängniskomplex, mit dem zunächst die Sowjets und später die DDR-Regierung ihre Gegner inhaftierten, verhörten, folterten oder einfach krepieren ließen. Ein mulmiges Gefühl, denn um den geheimen, streng gesicherten Bezirk (der zu kommunistischer Zeit auf keiner Landkarte zu finden war) waren die bequemen Behausungen des Stasi-Personals gruppiert; oftmals in hübschen Einfamilienhäusern. Da praktisch niemand von den damaligen Schergen später von der Justiz behelligt wurde, leben viele der Vollstrecker des DDR-Regimes noch heute dort. Ein krasser Gegensatz zu den grauenhaften Zellen im „U-Boot“, wo den Häftlingen morgens statt Frühstück erst eine Tracht Prügel mit Knüppeln und Kabeln verabreicht wurde.
Unsere Besuchergruppe hatte Glück: Denn unser Fremdenführer war selbst ein ehemaliger Gefangener von Hohenschönhausen. In entspannter jovialer Art erzähle er von seinen Schicksal: Als Fluchthelfer hatte er über 120 „Republikflüchtlingen“ in die Freiheit geholfen. Vielen durch Tunnels, einigen mit einem eigens präparierten Kraftwagen. Schließlich wurde er gefasst. Die Konsequenz: Über 20 Jahre in DDR-Gefängnissen, raffinierte Verhörmethoden. Schließlich „Häftlingsfreikauf“ durch die Bundesrepublik. Eine persönliche, einmalige Haftentschädigung 27.000 DM und heute 300€ monatliche Opferrente. Trotz seiner 77 Jahre hatte unser Experte sichtlich Gefallen daran, uns geduldig alles bis aufs kleinste zur erklären. Zum Schluss kam noch der Hinweis, daß dem rot-rot-grünen Berliner Senat die Gedenkstätte Hohenschönhausen ein Dorn im Auge ist. Der langjährige Leiter Dr. Knabe, der sich ausdrücklich für die fortwährende Erinnerung an diesem Ort und für betroffene Zeitzeugen als Museumswärter verwendet hatte, wurde vom linken Senator unter fadenscheiniger Begründung entlassen. – Ein aktuelles Lehrstück aus dem Berliner Politikalltag.
Gedenkstätte Deutscher Widerstand: Beklemmend. Ein promovierter Historiker führte uns durch die Räume des ehemaligen Oberkommandos der Wehrmacht und erzählte in spannender Abfolge die Vorgeschichte und die Chronologie des Attentates vom 20. Juli 1944 und die Schicksale der Verschwörer. Vieles hing damals am seidenen Faden, das Geschehen hätte auch eine ganz andere Wendung nehmen können. Erschütternd: die Zeugnisse über das Wüten der SS-Einsatzgruppen im Osten. Auch den naivsten heutigen Medienkonsumenten müsste nach derlei Bildern klar sein, wie absurd und infam der Versuch ist, die AfD-Anhänger als Nazis zu verunglimpfen.
Innenministerium: Die Kontrolle beim Einlass war gründlicher als man es etwa von Flughäfen gewohnt ist. Herr Seehofer stand uns als Referent nicht zur Verfügung; er sei auf Wahlkampfreise in Bayern. Eine Stunde war angesetzt für den Vortag des Ministerialdirektors, der durchaus anschaulich und kurzweilig die eher trockene Materie an Beispielen verdeutlichte, wie die der Apparat in seinen verschiedensten Aufgaben und Abteilungen organisiert ist und funktioniert. Durch eine Reihe Zwischenfragen und Diskussionsanstöße wurde der Zeitrahmen zwar überschritten, aber das wurde gerne in Kauf genommen. Natürlich gab es Fragen zur Causa Maaßen: Ein sehr fähiger und polyglotter Spitzenbeamter, mit einem sehr guten persönlichen Draht zu „befreundeten Diensten“. Mancher Anschlag sei nicht zuletzt wegen dieser guten, auf persönlicher Wertschätzung beruhenden Zusammenarbeit vereitelt worden. Heimat: Bekanntlich ist die neue Bezeichnung des Seehofer-Ressorts Bundesministerium des Inneren, Bau und Heimat. -Die Diskussion, wie der Begriff „Heimat“ in administrativer Tätigkeit praktisch umzusetzen sei, ist noch nicht abgeschlossen.
Bernauer Straße: Die Älteren aus der Reisegruppe konnten sich noch die damaligen Fernsehbilder erinnern, wie damals kurz nach den 13. August 1961, dem Tag des Mauerbaus, Einwohner dieser Häuser einfach aus dem Fenster in den Westen in die Freiheit sprangen. Diese Häuser der Bernauer Straße sind längst Vergangenheit. Sie wurden gesprengt und eingeebnet, damit die DDR-Grenzsoldaten freie Sicht und freies Schussfeld bekamen. Etwa einhundert Meter Mauer mit dem dahinter liegenden Todessteifen wurden als Anschauungsobjekte wieder hergerichtet.
Deutsches Historisches Museum: 8.000 Exponate aus zweitausendjähriger deutscher Geschichte. So steht es in der Selbstbeschreibung des Museums, und das ist nicht übertrieben. Von der Vorfahren Karls des Großen über das Mittelalter bis zum Mauerfall: Gemälde, Dokumente, Waffen, Landkarten, Gebrauchsgegenstände usw.. Hier könnte man Wochen verbringen und hätte immer noch nicht alles gesehen. Angenehm: Die hohen, lichten Räume im alten historischen Zeughaus, welches heute das Museum beherbergt.
Reichstag: Natürlich waren wir nicht die einzige Besuchergruppe, die an dem Abend auf den Zuschauertribünen Platz nehmen dürfte. Es scheinen vorwiegend Schülergruppen zu sein, welche die Plätze bevölkern. Ob die damit wirklich praktisches Demokratieverständnis lernen? Der Zeitrahmen ist auf gerade mal 45 Minuten begrenzt, dann muß Platz gemacht werden für die nächste Gruppe. Wir hatten in gewisser Weise Pech: Auf der Tagesordnung stand Kamerun und die aktuellen Konflikte in dem schwarzafrikanischen Land. Offenbar kein Thema, das unsere Regierenden interessiert. Und so fehlten Frau Merkel und mit ihr fast das ganze Kabinett. Auch die Plätze der Abgeordneten waren nur spärlich besetzt. Die Redebeiträge der Parteien hätten auch keinen vom Hocker gerissen. Banale, einstudierte Texte mit Allgemeinplätzen. Nur die Anregung der AfD, doch bitte die Gewährung von Entwicklungshilfe an die Achtung der Menschenrechte in den jeweiligen Ländern zu koppeln, fand einhelligen Widerspruch bei den Altparteien.
Und sonst: Der Wettergott war uns die ganze Zeit gnädig; er bescherte uns warmes, sonniges Spätsommerwetter. Unser Hotel ließ kaum Wünsche offen. Die Begleitung durch das Bundespresseamt war hervorragend, ebenso die fachkundigen Erläuterungen der Bundestagsmitarbeiter von Martin Renner. Einen besonderen Beifall hatte sich unser Busfahrer verdient, der mit akrobatischer Geschicklichkeit sein Gefährt durch das Berliner Baustellenwirrwarr bugsierte.
Fazit: Schön war es!
Autor: Bernd Ulrich
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